106.3 Lektion 1
Zertifikat: |
LPIC-1 |
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Version: |
5.0 |
Thema: |
106 Benutzerschnittstellen und Desktops |
Lernziel: |
106.3 Barrierefreiheit |
Lektion: |
1 von 1 |
Einführung
Die Desktopumgebung unter Linux verfügt über viele Einstellungen und Werkzeuge zur Anpassung der Benutzeroberfläche für Menschen mit Behinderungen. Die gewöhnlichen Schnittstellengeräte — Bildschirm, Tastatur und Maus/Touchpad — lassen sich individuell konfigurieren, um Sehbehinderungen oder eingeschränkte Mobilität auszugleichen.
Es ist zum Beispiel möglich, das Farbschema des Desktops anzupassen, um farbenblinde Menschen besser zu unterstützen. Außerdem können Personen, die an einer Verletzung durch wiederholte Belastung leiden, die Vorteile alternativer Tipp- und Zeigemethoden nutzen.
Einige dieser Funktionen für Barrierefreiheit stellt die Desktopumgebung wie Gnome oder KDE selbst bereit, andere kommen von zusätzlichen Programmen. Im letzteren Fall ist es wichtig, das Werkzeug zu wählen, das sich am besten in die Desktopumgebung integriert, um die Qualität der Hilfestellung zu verbessern.
Einstellungen zur Barrierefreiheit
Alle größeren Linux-Distributionen bieten die weitgehend gleichen Funktionen für die Barrierefreiheit, die Sie mit einem Konfigurationsmodul im Einstellungsmanager der Desktopumgebung anpassen. Das Modul für die Einstellungen zur Barrierefreiheit befindet sich im Gnome-Hauptmenü unter Universal Access, während es sich bei KDE unter System Settings /Personalization / Accessibility befindet. Andere Desktopumgebungen, wie Xfce, nennen es in ihrem grafischen Einstellungsmanager ebenfalls Accessibility. Allerdings bieten diese im Vergleich zu Gnome und KDE deutlich weniger Funktionalitäten.
Gnome kann z.B. so konfiguriert werden, dass das Menü für Barrierefreiheit in der oberen rechten Ecke des Bildschirms permanent sichtbar ist, so dass Optionen zur Barrierefreiheit schnell einzuschalten sind. Es kann z.B. dazu dienen, akustische Warnungen durch visuelle zu ersetzen, so dass Benutzer mit einer Hörbehinderung die Systemwarnungen leichter wahrnehmen. KDE verfügt zwar nicht über ein ähnliches Schnellzugriffsmenü, aber die visuelle Warnfunktion ist ebenfalls verfügbar, heißt hier aber Visual Bell.
Tastatur- und Mausunterstützung
Das Standardverhalten von Tastatur und Maus lässt sich verändern, um bestimmte Mobilitätsprobleme zu umgehen. Tastenkombinationen, die automatische Wiederholrate von Tasten und unbeabsichtigte Tastendrücke können für Benutzer mit eingeschränkter Handbeweglichkeit erhebliche Hindernisse darstellen. Diese Einschränkungen beim Tippen werden durch drei tastaturbezogene Funktionen zur Barrierefreiheit ausgeglichen: Sticky Keys (Einrastfunktion), Bounce Keys (Tastenverzögerung) and Slow Keys (Tastenanschlagfunktion).
Die Sticky Keys im Abschnitt Typing Assist der Gnome-Konfiguration für den barrierefreien Zugriff ermöglichen es, Tastenkombinationen nacheinander einzugeben. Ist diese Funktion aktiviert, müssen die Tasten für Tastenkombinationen wie Strg+C nicht gleichzeitig gedrückt werden. Der Benutzer kann zuerst die Taste Strg drücken, diese loslassen und dann die Taste C. In KDE befindet sich diese Option auf der Registerkarte Modifier Keys des Einstellungsfensters für Barrierefreiheit. KDE bietet auch die Option Locking Keys (Sperrtasten): Ist diese aktiviert, bleiben die Tasten Alt, Strg und Shift “gedrückt”, wenn der Benutzer sie zweimal anklickt, ähnlich wie bei der Taste CapsLock. Wie bei der Feststelltaste muss der Benutzer die entsprechende Taste erneut drücken, um sie wieder freizugeben.
Die Tastenverzögerung versucht, unbeabsichtigte Tastendrücke zu verhindern, indem sie eine Verzögerung zwischen ihnen vorsieht, d.h. ein neuer Tastendruck wird erst nach einer bestimmten Zeitspanne seit dem letzten Tastendruck akzeptiert. Für Benutzer mit zittriger Hand kann die Tastenverzögerungfunktion hilfreich sein, um mehrfaches Drücken einer Taste zu vermeiden, die nur einmal gedrückt werden soll. In Gnome betrifft diese Funktion nur Wiederholungen derselben Taste, während sie in KDE jeden Tastendruck betrifft und auf der Registerkarte Keyboard Filters zu finden ist.
Die Funktion Slow Keys hilft ebenfalls, versehentliche Tastenanschläge zu vermeiden. Wenn die Tastenverzögerung aktiviert ist, muss der Benutzer die Taste eine bestimmte Zeit lang gedrückt halten, bevor sie akzeptiert wird. Je nach den Bedürfnissen des Benutzers kann es auch hilfreich sein, die automatische Wiederholung beim Gedrückthalten einer Taste in den Tastatureinstellungen anzupassen.
Die Funktionen zum Einrasten (Sticky Keys) und zur Verzögerung (Bounce Keys) sind über Activation Gestures ein- und auszuschalten. In KDE sollte die Option Use gestures for activating sticky keys and slow keys (Gesten zum Aktivieren von Einrastfunktion und Tastenverzögerungfunktion verwenden) ausgewählt sein, um die Aktivierungsgesten einzuschalten, während in Gnome diese Funktion im Konfigurationsfenster Typing Assist als Enable by Keyboard bezeichnet wird. Sobald die Aktivierungsgesten eingeschaltet sind, wird die Einrastfunktion nach fünfmaligem aufeinanderfolgendem Drücken der Umschalttaste aktiviert. Um die Tastenverzögerungfunktion zu aktivieren, muss die Umschalttaste acht Sekunden lang durchgehend gedrückt werden.
Benutzer, die die Tastatur der Maus oder dem Touchpad vorziehen, können auf Tastaturkürzel zurückgreifen, um sich in der Desktopumgebung zu bewegen. Darüber hinaus ermöglicht die Funktion Mouse Keys (Maustasten), den Mauszeiger selbst mit dem Ziffernblock zu steuern, der in großen Desktoptastaturen und in größeren Laptops vorhanden ist.
Die Zahlentastatur ist in einem quadratischen Raster angeordnet, so dass jede Zahl einer Richtung entspricht: 2 bewegt den Cursor nach unten, 4 bewegt den Cursor nach links, 7 bewegt den Cursor nach oben links usw. Standardmäßig entspricht die Nummer 5 dem linken Mausklick.
Während es in Gnome nur einen Schalter zum Aktivieren der Maustastenoption im Einstellungsfenster für den barrierefreien Zugriff gibt, befinden sich die Maustasteneinstellungen in KDE unter System Settings / Mouse / Keyboard Navigation. Optionen wie Geschwindigkeit und Beschleunigung lassen sich ebenfalls anpassen.
Tip
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Die Tasten für Einrastfunktion, Tastenverzögerung, Tastenanschlagfunktion und Maus sind Eingabehilfen, die AccessX bereitstellt, eine Komponente der X-Tastaturerweiterung des X Window System. Sie können die AccessX-Einstellungen auch über die Befehlszeile mit dem Befehl |
Auch über Maus oder Touchpad können Tastatureingaben erzeugt werden, wenn die Verwendung der Tastatur zu unbequem oder nicht möglich ist. Ist Screen Keyboard (Bildschirmtastatur) in den Einstellungen zur Barrierefreiheit von Gnome aktiviert, erscheint jedes Mal, wenn sich der Cursor in einem Textfeld befindet, eine Bildschirmtastatur und Text wird durch Anklicken der Tasten mit der Maus oder dem Touchscreen eingegeben — ähnlich wie bei der virtuellen Tastatur von Smartphones.
KDE und andere Desktopumgebungen stellen die Bildschirmtastatur möglicherweise nicht standardmäßig zur Verfügung, aber das Paket onboard stellt eine einfache Bildschirmtastatur bereit, die in jeder Desktopumgebung verwendet werden kann. Nach der Installation ist es als reguläre Anwendung im Anwendungsstarter verfügbar.
Das Zeigerverhalten ändern Sie auch dann, wenn das Klicken und Ziehen der Maus problematisch oder unpraktikabel ist. Wenn der Benutzer nicht in der Lage ist, die Maustaste schnell genug zu klicken, um z.B. ein Doppelklickereignis auszulösen, erhöhen Sie das Zeitintervall, in dem die Maustaste ein zweites Mal gedrückt werden muss, um einen Doppelklick auszulösen, in den Mouse Preferences im Systemkonfigurationsfenster.
Kann ein Benutzer eine oder beide Maustasten nicht drücken, lassen sich Mausklicks mit verschiedenen Techniken simulieren. Im Bereich Click Assist des Gnome Universal Access erzeugt die Option Simulate a right mouse click einen Rechtsklick, wenn der Benutzer die linke Maustaste drückt und hält. Ist die Option Simulate clicking by hovering aktiviert, wird ein Klickereignis ausgelöst, wenn der Benutzer die Maus still hält. Unter KDE bietet die Anwendung KMouseTool dieselben Funktionen zur Unterstützung von Mausaktionen.
Visuelle Beeinträchtigungen
Benutzer mit eingeschränktem Sehvermögen können den Monitorbildschirm zur Interaktion mit dem Computer möglicherweise nutzen. Je nach den Bedürfnissen des Benutzers lassen sich zahlreiche visuelle Anpassungen vornehmen, um die sonst schwer erkennbaren Details der Standardgrafikoberfläche zu verbessern.
Der Abschnitt Seeing unter Universal Access bietet in Gnome Optionen für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft:
- High Contrast
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macht Fenster und Schaltflächen durch höheren Kontrast besser sichtbar.
- Large Text
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vergrößert die Standardschriftgröße auf dem Bildschirm.
- Cursor Size
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größerer Mauscursor, der dadurch leichter auf dem Bildschirm zu lokalisieren ist.
Einige dieser Anpassungen haben nicht unbedingt etwas mit Barrierefreiheit zu tun und sind daher oft im Abschnitt zum allgemeinen Erscheinungsbild des Konfigurationsprogramms anderer Desktopumgebungen zu finden. Benutzer mit der Schwierigkeit, zwischen visuellen Elementen zu unterscheiden, können auch ein kontrastreiches Theme wählen, um Schaltflächen, überlappende Fenster usw. leichter zu erkennen.
Wenn Anpassungen des Aussehens allein nicht ausreichen, um die Lesbarkeit des Bildschirms zu verbessern, kann ein Bildschirmlupenprogramm helfen, um Teile des Bildschirms zu vergrößern. Diese Funktion heißt in Gnome Zoom unter Universal Access, wo Optionen wie Vergrößerungsverhältnis, Position der Lupe und Farbeinstellungen anzupassen sind.
In KDE bietet das Programm KMagnifier die gleichen Funktionen, aber es ist als gewöhnliche Anwendung über den Anwendungsstarter verfügbar. Andere Desktopumgebungen bieten möglicherweise eigene Bildschirmlupen an. Xfce z.B. vergrößert den Bildschirm durch Drehen des Mausrads, während die Taste Alt gedrückt ist.
Schließlich können Benutzer, für die eine grafische Oberfläche nicht in Frage kommt, einen Screen Reader verwenden, um mit dem Computer zu interagieren. Unabhängig von der gewählten Desktopumgebung ist das beliebteste Bildschirmleseprogramm für Linux-Systeme Orca, das bei den meisten Distributionen standardmäßig installiert ist. Orca erzeugt eine synthetische Stimme, um Bildschirmereignisse zu melden und den Text unter dem Mauszeiger vorzulesen. Orca arbeitet auch mit aktualisierbaren Brailleanzeigen, speziellen Geräten, die durch das Anheben kleiner Stifte Braillezeichen ausgeben, die man mit den Fingerspitzen ertasten kann. Nicht alle Desktopanwendungen sind vollständig für Bildschirmleser angepasst und nicht alle Benutzer werden es einfach finden, diese zu benutzen, daher ist es wichtig, so viele Bildschirmlesestrategien wie möglich für die Benutzer zur Auswahl anzubieten.
Geführte Übungen
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Welche Eingabehilfen könnten einem Benutzer helfen, mit der Tastatur zwischen geöffneten Fenstern zu wechseln, wenn er nicht in der Lage ist, die Tasten Alt und Tab gleichzeitig zu drücken?
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Wie hilft die Eingabehilfenfunktion Tastenverzögerung Benutzern mit Handzittern?
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Was sind die häufigsten Aktivierungsgesten für die Eingabehilfen der Einrastfunktion?
Offene Übungen
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Barrierefreie Funktionen werden möglicherweise nicht von einer einzigen Anwendung bereitgestellt und können von einer Desktopumgebung zur anderen variieren. Welche Anwendung in KDE hilft Personen mit Einschränkungen, indem ein Mausklick ausgeführt wird, wenn der Mauszeiger kurz pausiert?
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Welche Aspekte des Erscheinungsbildes der grafischen Umgebung können verändert werden, um das Lesen von Text auf dem Bildschirm zu erleichtern?
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Auf welche Weise hilft die Anwendung Orca Benutzern mit eingeschränkten Sehfähigkeiten bei der Interaktion mit der Desktopumgebung?
Zusammenfassung
Diese Lektion behandelt die allgemeinen Funktionen für Barrierefreiheit, die in Linux-Systemen verfügbar sind. Alle wichtigen Desktopumgebungen, insbesondere Gnome und KDE, bieten viele eingebaute Anwendungen und Anwendungen von Drittanbietern, die Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit oder Mobilität unterstützen. Die Lektion geht auf die folgenden Themen ein:
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Einstellungen für die Barrierefreiheit.
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Alternative Möglichkeiten zur Verwendung von Tastatur und Maus.
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Desktoperweiterungen für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit.
Die angesprochenen Befehle und Prozeduren sind:
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Einstellungen zur Barrierefreiheit der Tastatur: Einrastfunktion, Tastenverzögerung, Tastenanschlagfunktion.
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Mausereignisse künstlich erzeugen.
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Bildschirmtastatur.
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Visuelle Einstellungen zur Verbesserung der Lesbarkeit.
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Kontrastreiche/vergrößerte Desktopthemes.
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Bildschirmlupen.
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Der Bildschirmleser Orca.
Lösungen zu den geführten Übungen
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Welche Eingabehilfen könnten einem Benutzer helfen, mit der Tastatur zwischen geöffneten Fenstern zu wechseln, wenn er nicht in der Lage ist, die Tasten Alt und Tab gleichzeitig zu drücken?
Die Einrastfunktion, die es dem Benutzer ermöglicht, Tastenkombinationen Taste für Taste einzugeben.
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Wie hilft die Eingabehilfenfunktion Tastenverzögerung Benutzern mit Handzittern?
Bei aktivierter Tastenverzögerung wird ein neuer Tastendruck erst dann akzeptiert, wenn seit dem letzten Tastendruck eine bestimmte Zeit vergangen ist.
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Was sind die häufigsten Aktivierungsgesten für die Eingabehilfen der Einrastfunktion?
Bei aktivierten Aktivierungsgesten wird die Einrastfunktion nach fünfmaligem aufeinanderfolgendem Drücken der Taste Shift aktiviert.
Lösungen zu den offenen Übungen
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Barrierefreie Funktionen werden möglicherweise nicht von einer einzigen Anwendung bereitgestellt und können von einer Desktopumgebung zur anderen variieren. Welche Anwendung in KDE hilft Personen mit Einschränkungen, indem ein Mausklick ausgeführt wird, wenn der Mauszeiger kurz pausiert?
Die Anwendung KMouseTool.
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Welche Aspekte des Erscheinungsbildes der grafischen Umgebung können verändert werden, um das Lesen von Text auf dem Bildschirm zu erleichtern?
Bei Auswahl einer großen Bildschirmschriftgröße in der Desktopkonfiguration sind alle Bildschirmtexte besser lesbar.
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Auf welche Weise hilft die Anwendung Orca Benutzern mit eingeschränkten Sehfähigkeiten bei der Interaktion mit der Desktopumgebung?
Orca ist ein Bildschirmlesegerät, das eine synthetisierte Stimme erzeugt, um Bildschirmereignisse zu melden und den Text unter dem Mauszeiger zu lesen. Es arbeitet auch mit Geräten, die aktualisierbare Brailleanzeigen genannt werden, so dass der Benutzer den Text mit taktilen Mustern identifizieren kann.